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theoretischer Hintergrund

zum Begriff ANAFONESIS

Einführung in das Geführte Tönen zur Geburtshilfe

Was ist mit dem Begriff geführt im Geführten Tönen gemeint und inwieweit stellt Anafonesis einen eigenständigen Ansatz dar?

Ganz ausdrücklich geht es hierbei nicht um dirigistische Leitung oder Manipulation der Geburt. Vielmehr soll und kann erreicht werden, daß die Gebärende selbst mit ihrem wachen Ich die Führung der Geburt übernimmt und die Helfer dienend ihre eigene Führung dazu verwenden, sich selbst zu halten und zurückzunehmen. Im Erleben des Geführten Tönens wird deutlich, daß es tatsächlich in erster Linie um die Ich-Führung geht, und das Tönen das Gefährt ist, mit dem dieses Ziel erreicht werden kann.

Warum ist die wache Ich-Führung für uns heute so wichtig, daß man sie regelrecht als Zeiterfordernis beschreiben könnte?

Wie die Geschichte unserer eigenen kulturellen Entwicklung und der Vergleich der Völker gegenwärtig zeigt, nimmt mit der Zunahme des wachen Selbstbewußtseins auch die Schmerzempfindung gleichermaßen zu, mithin die Schmerztoleranz ab. Sobald der Mensch sich auf sich selbst gestellt wähnt (in Europa für breitere Bevölkerungsgruppen etwa ab dem 19. Jhdt), fühlt er sich nicht mehr aufgehoben in einer Welt wirksamer Wesen, die ihn tragen. Metaphorisch gesprochen: Gott und Engel sind dem Menschen verloren gegangen, während er sein waches Denken errungen hat.

Mit dem Erreichnis wacher Selbstbestimmung und freier Verfügung über die eigene Person wurden zugleich auch seelische Wirksamkeiten bemerkt, die nicht dem eigenen wachen Impuls entsprangen: im Begriff des Unbewußten wurde zu fassen versuch, was man dennoch als wirksame Kraft ohne bewußte Kontrolle in sich erlebte.

Der Mensch früherer Entwicklungsstufen ging in seiner träumerischen Ahnung davon aus, daß alle wesentlichen Wirkungen in der Welt und ihm selbst Wirkungen geistiger Wesen sind. Keinesweg war er sich dessen bewußt; vielmehr fühlte er sich aufgehoben in seiner Welt ihn bestimmender Kräfte. Von unserer heutigen Sichtweise aus betrachtet, könnte man sagen, daß in diesem Entwicklungsstadium der Mensch das Bewußtsein geistiger Wesen als die Ursache aller Erscheinungen empfindet, mithin: daß das Bewußtsein dem Sein vorausgeht. Auf diese Weise war alles Sein, auch sein eigenes Dasein, im Bewußtsein geistiger Wesen aufgehoben und es war aus diesem Grunde , auch wenn es leidvoll war, so doch immer sinnvoll (was er nicht dachte, was aber wie beim Kind seinem Lebensgefühl zugrundelag und–liegt).

In der gegenwärtigen europäisch-amerikanischen Kultur aber verstehen sich die meisten Menschen selbst so, als ginge das Sein dem Bewußtsein voraus: am Anfang war Materie (hochverdichtet), über einen 'Urknall' entstehen differenzierte Gebilde und Energie; eines dieser Gebilde wird der Mensch, der dann auch noch, als 'zufällige' Variante, Bewußtsein entwickelt aufgrund seiner komplexen Hirnstruktur. Zwar ist der Mensch dadurch frei geworden, doch wird das Dasein selbst, vor allem aber das Leiden, für die meisten Menschen völlig sinnlos. Im Verhalten aber handeln die meisten Menschen ganz so, als gäbe es dennoch einen Sinn ihres Daseins in einem übergeordneten Plan. Aber diese Ahnung findet im Weltbild keinen Widerhall und so bedienen sich sehr viele Menschen heute Erkenntnis- und Weltanschauungsweisen, die Regressionen in frühkindliche und entsprechend frühkulturelle Stadien darstellen.

Nimmt man aber diese tief in Jedem gründende Ahnung sinnvoller Entwicklung des Menschen und der Menschheit ernst, dann wird unser waches Selbstbewußtsein kein 'Betriebsunfall' der Weltentwicklung sein, sondern höchst sinnvolles Instrument unserer Welterschließung. Wenn nun dieses Instrument wacher Wahrnehmung sich nicht nur auf die Gegenstände der Welt allein richtet, sondern zugleich die Bewegungen (die Gesten) der Seele beobachten lernt, während die Sinne wach der Welt oder dem Leib zugewandt sind, dann beginnt der Sinn menschlichen Daseins (und Leidens) zum ersten mal in der Menschheitsgeschichte nicht nur fühlbar, sondern individuell erkennbar zu werden.

Eigentümlicherweise sind es die Physiker, die als erste in der gegenwärtigen Wissenschaft aufgrund von Grenzerlebnissen im Denken schlußfolgerten, daß doch, wie es eine frühere Menschheit ahnte, jetzt mit innerer Sicherheit zu denken ist: das Bewußtsein gehe dem Sein voraus (Kopenhagener Schule, Ami Goswami u.v.a.).
Was heißt dies für die Geburtshilfe?

Wir brauchen kein Sammelsurium von 'alternativen' Methoden, wir brauchen eine Übung des waches Bewußtseins, eine zeitgemäße Haltung in der Geburt des Menschenkindes. Unsere innere Haltung, der die Übung selbstkritischer wacher seelischer Beobachtungsfähigkeit vorausgeht, bestimmt viel mehr als alle äußerlichen Methoden den Ablauf, die Risiken und Gefahren, aber auch das wahrhaft menschlich Erfüllende einer Geburt. Wir können und dürfen uns nicht mehr auf unsere 'Bauchgefühle' verlassen, wir dürfen die Bedeutung ihrer Existenz aber auch nicht verleugnen. Vielmehr müssen wir nach und nach Methoden erarbeiten, uns diese - heute meist noch im Unbewußten verborgenen - Wirklichkeitsbereiche für unser waches, kritisches Bewußtsein zuverlässig zu erschließen.

Eine solche Methode soll hier mit dem Geführten Tönen vorgestellt werde; keine zusätzliche Methode 'alternativer' Geburtshilfe, sondern ein Weg, auf dem man - wie auf vielen andern Wegen - zeitgemäß die innere Haltung zur menschlichen Geburt angemessen erüben kann. Der Weg, auf den gedeutet wird, ist nicht ein Weg, zu neuem Wissen zu kommen, wie wir das alle heute tun und dennoch unsicher und zweifelnd bleiben. Hier handelt es sich darum, ein neues Können zu erlangen: die Weise des Erkennens zu erkennen, wach zu bleiben für die Sinneswirklichkeit und zugleich für die innere seelische Wirklichkeit - Selbsterkenntnis in ihrem ureigensten Sinne. Aus solcher Haltung hervorgehende Handlungen seien hier geführt. genannt

Auf diese Weise kann - jenseits aller schematisierenden Qualitätsstandards - wirkliche menschliche Qualität in die Geburtshilfe einziehen und sie befruchten.